Im Ortskern von Taura befindet sich eine Werkstatt, die für alle da sein möchte. Hauptzielgruppe sind Kinder bis zur 10. Klasse. Aber auch wer etwas zuschneiden möchte, ist jederzeit willkommen. Wie Vector Point entstanden ist, was auf dem Plan steht und warum jeder mitmachen darf, erzählt Felix Möbius im Gespräch.
Immer wieder geht sie auf, die Tür zur Werkstatt. Nicht weil Kinder zu spät kommen oder sie ständig rein und raus wollen. Sondern weil übriggebliebene Holzleisten gebracht werden oder jemand kommt, um mitzumachen. Gefühlt ist der ganze Ort eingebunden und beteiligt sich am Geschehen. Am Geschehen des Vector Point e. V.
Gegründet wurde der Verein, weil ein Mangel an den Schulen identifiziert wurde: „Informatiklehrer sind so gut wie gar nicht zu finden und Technik fällt im Lehrplan ganz hinten runter”, erzählt Felix Möbius, Vorstand und AG-Leiter. Grund genug, einen Verein zu gründen, der die technische Ausbildung von Kindern und Jugendlichen und das handwerkliche Verständnis fördern will. „Wir haben den Verein auf einem Schulfest gegründet.” Die Formalitäten waren somit schnell erledigt. Der nächste Schritt gestaltete sich deutlich schwieriger: „Und dann haben wir eigentlich zwei Jahre nach einem Raum gesucht. Denn das größte Problem war, einen Raum zu finden, der für uns geeignet ist. Außerdem wollten wir immer einen, der zentral in der jeweiligen Gemeinde gelegen ist. Das ist hier in Taura definitiv der Fall”, beschreibt Felix Möbius die Anfänge.
Felix Möbis ist 42 und seit 14 Jahren im Schulwesen tätig – „als typischer Quereinsteiger”, erzählt er. Er gibt Informatikunterricht und kümmert sich um die IT. Nach seinem Studium in Grafischer Technik und Medienpädagogik wollte er eigentlich gleich ein Lehramtsstudium anschließen. „Denn in der Wirtschaftskrise hat niemand jemanden wie mich eingestellt.” Seine Bewerbung an einer Schule wurde dann auch ganz pragmatisch umgedeutet. Mit den Worten „Wir brauchen eigentlich keinen, der Lehramt studiert. Wir brauchen jemanden, der IT mit der AG macht!” So landete der Quereinsteiger dann doch an der Schule. „Und ein Medienpädagoge im Haus ist nicht verkehrt. Zunächst habe ich Informatikunterricht für die Jüngsten gegeben, dann gab es die Anerkennung für die Sekundarstufe 1 und danach für die Sekundarstufe 2. Jetzt bin ich schon 14 Jahre dabei”, erinnert er sich.
Seit Ende 2021 engagiert er sich nun auch im Verein Vector Point. Und das mit Leidenschaft. Denn die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen überrascht ihn immer wieder: „Das Spannende ist eigentlich, dass man bei allen Kindern gar nicht vorhersehen kann, was für kreative Ideen die haben. Die haben noch nicht die Strukturen wie wir Erwachsenen und denken auch nicht in solchen Strukturen. Und wenn man da irgendein Problem aufruft und mal bespricht, wie könnte man denn das lösen, dann kommen die auf ganz verrückte Ideen. Und von den 20 Ideen, die da vielleicht entstehen, sind immer welche dabei, die man umsetzen kann”, erzählt Felix Möbius, bevor wieder ein Kind vor ihm steht und die nächste Frage an ihn herangetragen wird.
Mit der 4. Klasse kann es losgehen in der Werkstatt, denn da steht bei den Schülerinnen und Schülern auch noch Werken auf dem Lehrplan. Bis zur 10. Klasse wird den Kindern dann technisches Grundverständnis vermittelt. Besonders die Grundschulen zeigen einen großes Interesse am Angebot in Taura. Denn es gibt sogar einen Lehrplan. Nicht um konkrete Projekte schon bis ins Kleinste vorzubestimmen. Vielmehr geht es darum, verschiedene Tätigkeiten und Handwerkszeuge zu erlernen: „Da steht jetzt nicht drin, dass wir einen Nistkasten bauen, sondern dass wir uns damit beschäftigen, wie man zum Beispiel eine technische Zeichnung anfertigt”, erzählt Felix Möbius.
Entstanden ist die Idee des Curriculums aus der Anfangszeit. „Unsere Werkstatt hatten wir von 17 bis 20 Uhr geöffnet und da konnte jeder kommen. Das heißt, wir haben im ersten halben Jahr ganz viele Kleinprojekte gemacht. Von Bastelei bis Elektrotechnik. Jede und jeder hat auch andere Interessen. Manche wollten mal löten, andere wollten sich an der Drechselbank ausprobieren.” Dass es bei diesen vielen kleinen Dingen nicht geblieben ist, hat zudem auch praktische Gründe: „Jetzt fangen wir größere Projekte an, die ein bisschen länger dauern. Die Eltern würden uns auch aufs Dach steigen, wenn wir jede Woche etwas anderes machen und die Kinder jede Woche was Neues mit nach Hause nehmen”, erzählt er schmunzelnd.
Deswegen wurde als erstes großes Projekt ein Nistkasten angegangen. Aber kein Normaler. Einer mit Kamera und WLAN. Um am Ende die Vögel und ihren Nachwuchs beobachten zu können. Damit das Projekt gelingt, wurde ornithologischer Sachverstand hinzugezogen, die richtige Kastengröße und Bauform ermittelt und Kameramodule bestellt. Parallel dazu wird an einer Murmelbahn gearbeitet. So können die Kinder ihren Interessen nachgehen und unterschiedliche Dinge lernen. Denn eine Murmelbahn benötigt keine WLAN-Schnittstelle. Sondern Magneten, Drücker, Beleuchtung und eine elektrische Hebemechanik.
Das Angebot von Vector Point (externer Link) weckt mittlerweile nicht nur Interesse bei Kindern und ihren Eltern. Auch Unternehmen suchen den Kontakt. Denn die Kinder lernen hier viel mehr als den einfachen Umgang mit Werkzeugen. „Zum Beispiel die Murmelbahn. Da stecken viele Vorüberlegungen drin. Von der Murmelgröße über die Auswahl der richtigen Magnete hin zur widerstandsarmen Konstruktion der Laufrinnen. Das sind alles Überlegungen, die man machen muss und die zum technischen Verständnis beitragen, ohne dass das den Kindern eigentlich bewusst wird.” Kompetenzen, die Unternehmen schätzen. Aus diesem Grund gibt es mittlerweile Exkursionen in große Werkstätten und Fabriken, Vorstellungen von Berufsbildern und auf der anderen Seite materielle Unterstützungen durch Unternehmen.
Und wann geht Felix Möbius zufrieden nach Hause? „Wenn alles geklappt hat, was ich mir vorgestellt habe. Das ist auch das Schöne an der Arbeit in einer Werkstatt. Man sieht am Ende des Tages das Ergebnis. Es steht dann tatsächlich etwas auf dem Tisch.”
Dennoch klappt nicht immer alles. Besonders wenn es schnell gehen muss und im Vorfeld weder probiert noch getestet werden konnte. „Weihnachten zum Beispiel. Da haben wir einen Tannenbaum aus Sperrholz gemacht, den man zusammenstecken konnte. So weit so gut. Dann hatten wir aber die Schnapsidee, noch LEDs dran zu machen. Das war ein großes Desaster, weil alle LEDs unterschiedliche Volt-Zahlen hatten. Deswegen haben die einen hell und die anderen gar nicht geleuchtet. Und dann haben wir es nicht mehr geschafft und da war ich total unzufrieden mit dem Ergebnis. Aber es war halt Highlife, wie man so schön sagt”, erzählt Felix Möbius und muss am Ende doch ein bisschen lachen. Solche Erfahrungen bringen einen schließlich auch weiter.
Mitmachen und unterstützen kann übrigens jeder. „Wir haben ja auch Erwachsene, die hier einfach kommen und mithelfen. Manche helfen mit, manche spenden Material, das übrig ist, oder nutzen unsere Werkstatt, um Dinge zu zuschneiden. Da ziehen wir als Verein keine Altersgrenze.” Vector Point ist eben mehr als ein klassischer Makerhub.